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Zu den Rauminterventionen von Rautter + Höller

Ansiedlungen, die sich in Grenzbereichen befinden, sind meist von Kargheit umgeben. Fern einer sich brüstenden Zentralität, lebt man hier in Zwischenzonen, Nahrung aus dem mehrfältigen Einflußgebieten der Umgebung beziehend. Entschlackt von überflüssigem Zierrat werden hier Gedanken und Vorstellungen auf ihre praktikable Einfachheit untersucht und nach ihren Möglichkeiten zur Öffnung befragt.

Die Rauminterventionen von Rautter+Höller sind solche Grenzsiedlungen in der Kunst, durch ihre zeitliche Begrenztheit einer Ausstellungsspanne noch um einen wesentlichen Faktor nomadenhaften zwingenden Charmes bereichert. Es sind Installationen, die nur einmalig in den speziellen Räumen, in denen sie inszeniert werden, ihre Wirkung entfalten sollen und die nach Ende der Präsentation oft mit der gleichen Lust und Intensität zerstört werden, mit der sie liebevoll entwickelt worden sind.

Es gilt dem menschlichen Handeln mehr Wertigkeit zuzusprechen wie dem fertigen Produkt - Konrad Rautter + Barbara Höller sind überzeugt davon, daß Geistigkeit und Sensibilität in der Alltäglichkeit des Lebens ein künstlerisches Qualitätsmerkmal darstellen. Seit 1987 entwickeln Rautter + Höller in ihrer gemeinsamen Arbeit eine Kultur des Dialoges, die sich aus den Polen der Architektur und der erweiterten Malerei nährt. Gemeinsam ist ihnen die stetige Beobachtung und Infragestellung der eigenen wie der sie umgebenden Realität.Materielle und imaginäre Spannungsfelder eines Raumes oder eines öffentlichen Platzes, können, obwohl meist unbewußt wahrgenommen, in weiten Bereichen menschliches Verhalten beeinflussen. In den Installationen von Rautter + Höller wird der Raum auch als Filter benutzt, der den in sich wohnenden Inhalt zu klären vermag.

Das Künstlerpaar sieht die Arbeit im Raum als Versuch einer Neuinterpretation. Lichtverhältnisse, Materialsubstanzen, Bewegungsmöglichkeiten oder Maßverhältnisse werden mittels äußerst sparsam und präzise gesetzter Eingriffe (meist geometrische und serielle Prinzipien) verstärkt oder durchbrochen. Das Materialvokabular ist dem Alltag entnommen und bezieht sich auf menschliches Handeln. Es besteht aus Fund- und Erinnerungsstücken, aus wertlosem Gut oder industriell gefertigten Gegenständen. Die Zusammenstellungen der Objekte sind fragil und verletzlich. In manchen Fällen können sie durch Unachtsamkeit leicht aus ihren labilen Gleichgewicht gebracht werden, anderenorts ist eine Veränderung des äußeren Zustandes selbst Inhalt des jeweiligen Projektes.

Ein Spiel mit den Gesetzen von Innen und Aussen war die Arbeit "Outstanding Square" in einem ehemaligen Fabriksgebäude in Chicago. Die in der Stadt sichtbaren Rasterstrukturen, die auf die Zeit der Kolonialisierung zurückgeführt werden können, lassen sich auch in statischen Bauelementen erkennen. Die Anordnung der Versorgungsrohre und Stützpfeiler in der Ausstellungsetage lagen dem raffiniertem Beziehungsgeflecht ihrer dortigen Installation zugrunde. Die quadratische Grundfläche eines Pfeilers wurde um einen angenommenen Drehpunkt in den Raum verschwenkt. Die dort vorhandenen Rutschsicherungen, Verweise auf die Geschichte der Fabrik, wurden teilweise ausgeschnitten, neu plaziert und der nun sichtbare Betonboden aufgestemmt. Die unvermittelt aus den Boden ragenden Rohre, deren Öffnungen einander zugewandt waren, konnten nun als menschennahe Gebilde von gegensätzlichen, jedoch miteinander kommunizierenden Einheiten gesehen werden.

"12 Handvoll Wasser", verwirklicht in einem ländlich gelegenen Kulturhof, verweist auf jene potentielle Energie, die den Dingen eigen ist. Hier wird Stille ausgelotet und die Verletzlichkeit des Lebens angesprochen. Dünne, flache und durchscheinende Plastikbahnen formen sich an ihrem unterem Ende zu einem Behältnis in Tropfenform. Pendelartig schweben sie knapp über einem in den Boden eingelassenen Kiesstreifen. Sie sind mit Wasser gefüllt, der Adhäsion entsprechend wölbt sich die Oberfläche des Wassers empor. Die 12 Streifen als eine Art Vorhang vor zwei Fenstern montiert, behindern die Aussicht durch Aufsplitterung in zwei Bildebenen.

"Was sieht man?", "wie sieht man es?" und "kann man es überhaupt bemerken?" - mit solchen Fragestellungen begegnet das Künstlerpaar der Welt. "Daß" man es, was immer es auch ist, bemerken sollte, daran wird man überraschend einfach und ein bißchen irritierend erinnert. Mit leisen Zwischentönen in einem lauten Gemurmel der scheinbaren Sicherheit.

Annemarie Valenta

"Zweifel als Maß" als PDF
1989 "Zweifel als Maß" von Annemarie Valenta